Wo bleibt hier der Mensch?

Man kann über die Weise, wie in Deutschland Planungsprozesse umgesetzt werden, trefflich streiten. Die Neuauflage des Flächennutzungsplans für Treuchtlingen hinterlässt aber schon auf den ersten Blick eine ganze Reihe offener Fragen, die nicht ohne kritische Nebenbemerkungen stehen bleiben können.

So geben selbst die Planer zu, dass die gerade einmal zwei Jahre alten demographischen Prognosen schon nicht mehr stimmen. Damit fällt die wesentliche Grundlage für den kompletten Plan mit Pauken und Trompeten durch. Überhaupt sind diese Prognosen stets nur eine Art „Kaffeesatzleserei“, da sie dynamische, nicht vorhersehbare Entwicklungen niemals erfassen können – in der heute eher unruhigen weltpolitischen Lage schon gleich gar nicht.

In dem Planwerk, das schon arg theoretisch ist, fehlen zudem ganz wesentliche Punkte, die noch viel mehr Grundlage der Ortsentwicklung sein sollten, als technokratische Auffassungen: nämlich die sozialen Gebilde. So bildet jedes Dorf eine soziale Einheit. Jeder Ortsteil und auch die Kernstadt haben eigene, oft sehr unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse. Das mag mal ein Dorfgemeinschaftshaus sein, mal ein dringend benötigtes Baugebiet, mal landschaftlicher Schutz. An demographischen Zahlen allein ist das jedoch nicht abzulesen – und im Rahmen allgemeiner Aussagen aus München oder Ansbach schon gar nicht zu beurteilen.

So wichtig die vielen äußeren Faktoren auch sind – im Zentrum des Handelns sollte immer der Mensch mit seinen Bedürfnissen stehen. Was in der Stadtratssitzung präsentiert wurde, bot insofern wenig Neues. Die Bürger und auch die Ratsmitglieder kennen die Stärken und Schwächen Treuchtlingens und wissen, dass es hier eine tolle Landschaft, aber auch einen großen Auspendler-Überschuss gibt. Der Planungsprozess, der nun hier angestoßen wird, ist deshalb ein sehr zentralistischer und theoretischer Ansatz, der morgen bereits in Teilen überholt sein wird – wenn zum Beispiel eine Umgehung gebaut wird, eine Dorferneuerung angestoßen wird, oder wenn aus heiterem Himmel ein Großbetrieb an die Tür klopft.

Wie sinnhaltig der Flächennutzungsplan ist, zeigt auch das Beispiel des gescheiterten Bürgerwindparks bei Auernheim. Dieser ist im Flächennutzungsplan als Konzentrationszone für Windkraft ausgewiesen. Einige Vögel waren aber am Ende stärker als alle Planerei. Insofern stellt sich die generelle Frage, ob die großangelegte Überarbeitung eines kompletten Flächennutzungsplans der richtige Weg ist. Es erscheint sinnvoller, dies in einem stetigen Prozess zu tun und Änderungen immer dann vorzunehmen, wenn sie vorgenommen werden müssen.

Nicht falsch verstehen: Flächennutzungspläne sind nicht überflüssig. Mit ihnen werden Weichen für die Zukunft gestellt. Über die Art und Weise, wie sie aufgestellt werden, und darüber, welche Schwerpunkte dabei eine Rolle spielen, sollte jedoch intensiver diskutiert werden.

Nur eine verkappte Steuererhöhung

Die Frage, ob Straßenausbaubeiträge einmal oder wiederkehrend erhoben werden sollten, ist ein Muster dafür, wie unselig heute oft Vorschriften erlassen werden. Unselig deshalb, weil ganz offensichtliche Einflüsse von Lobbygruppen auf den Gesetzgeber auf der einen sowie Gerichtsentscheidungen auf der anderen Seite die kommunale Selbstverwaltung immer weiter demontieren.

Lobbyismus bei kommunalen Satzungen? Ja, natürlich. Es ist zwar erst einmal Spekulation, aber man darf getrost davon ausgehen, dass die neue Gesetzgebung nicht von Politikern erarbeitet wurde, sondern dass Fachleute aus dem Rechts- und Planungswesen freudig mit den Hufen gescharrt und daran „geschraubt“ haben, damit die Vorschriften möglichst kompliziert und angreifbar werden. Weitere Aufträge für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sind ihnen in der Folge gewiss. Anders kann man die handwerkliche Umsetzung mit derart vielen Unklarheiten schwer erklären.

Otto-Normalbürger sind solche Entscheidungen nicht mehr begreiflich zu machen. Er ist bei dieser hochkomplexen Thematik längst „ausgestiegen“. Was er am Ende sieht, ist nur die Rechnung, die ihm präsentiert wird. Nüchtern betrachtet wäre es sehr einfach, das Problem aus der Welt zu schaffen. Wenn eine Kommune etwa jährlich eine Million Euro an Investitionsbedarf für den Straßenausbau hat, sollte es doch möglich sein, diese Kosten auf die Grundstücksbesitzer aufzuteilen. Mit der Grundsteuer gibt es bereits eine solide Bemessungsgrundlage. Ganze Heerscharen von Verwaltungsleuten wären entlastet. Entbürokratisierung könnte man das dann nennen. Leider wurde dieser Weg mit der Neuauflage des Gesetzes nicht beschritten.

Aber vielleicht lohnt sich auch noch ein weiterer Schritt zurück. Wie wurden eigentlich Straßensanierungen bezahlt, als es noch keine Ausbausatzungen gab? Natürlich aus Steuermitteln. Früher gab es nur einen nachvollziehbaren Beitrag für die Erschließung von Grundstücken. Für den Unterhalt der Straßen und deren Erneuerung hatte die Kommune zu sorgen. Aus dieser Sicht betrachtet sind die jetzigen „Beiträge“ nichts anderes als verkappte Steuererhöhungen, weil der Staat die Kommunen eben nicht mehr mit ausreichend Mitteln ausstattet, um dieser Aufgabe nachzukommen.

Während sich Bund und Land mit „schwarzen Nullen“ brüsten, wird „ganz unten“ der Bürger auf fast schon perfide Art immer weiter belastet. Das Wort „Steuern“ scheut man dabei jedoch wie der Teufel das Weihwasser. Und für die Kommunen stellt sich einmal mehr die Frage, was der Begriff „kommunale Selbstverwaltung“ eigentlich noch wert ist.

Erstens werden sie in Bayern neuerdings unverhohlen dazu gezwungen, Beiträge zu erheben; zweitens werden sie mit rechtlichen Untiefen allein gelassen; und drittens kann man die Uhr danach stellen, wann Gerichte ihnen jeden vielleicht noch vorhandenen Spielraum nehmen. Manchmal hat der Rechtsstaat halt auch seine Nachteile…

Den beteiligten Politikern, behördlichen Instanzen und Gerichten ist dabei auch immer wieder einmal ein Blick ins Grundgesetz zu empfehlen. Im Artikel 28 sind Selbstverwaltung und Eigenverantwortung der Kommunen festgelegt. Ob die Väter des Grundgesetzes vor diesem Hintergrund den Zwang zu Ergänzungsbeiträgen für gut befunden hätten, darf getrost bezweifelt werden.

Komödie oder Tragödie?

Diese Haushaltssitzung wird noch lange in Erinnerung bleiben. Am Ende bleibt der Bürger aber doch ratlos zurück angesichts dieses Stückes aus dem Stadtratstheater. Theater? Ja, anders kann man diese Sitzung nicht beschreiben.

Ob es eine Komödie oder Tragödie war, mag jeder selbst werten. Man erfuhr, dass sich der Stadtrat in vielen Sitzungen hinter verschlossenen Türen vorberaten hatte. Das gipfelte dann zunächst darin, dass die Wirtschaftspläne von Stadtwerken und Gesundheitszentrum mit einem einfachen Armheben einstimmig durchgewunken wurden. Diskussionen und Erklärungen in diesem Fall Fehlanzeige.

Der Tagesordnungspunkt zum Haushalt selbst war dagegen eine Art politischer Schwank. Sympathieträger in diesem Punkt: Stadtkämmerer Dominik Wenzel, der tapfer seine Zahlen verteidigte, sachlich vortrug und mahnte. Über den Rest sollte man eigentlich den Mantel des Schweigens hüllen. Der Auszug von CSU-Stadtrat Karl Heckl, weil er wohl nicht gegen die Innenstadtsanierung stimmen wollte; dann der demonstrative Auszug des Bürgermeisters, als sein Amtsvorgänger eine Generalabrechnung vortrug; die Verweigerungshaltung der CSU; die Sitzungspause auf Antrag der SPD, um sich im Nebenzimmer zu beraten… Wie vernünftig und zielgerichtet ist das alles, wenn man doch nur eines im Auge haben sollte, nämlich die Zukunft der Stadt?

Dabei muss man gar werten, wer wann wo und wie Fehler macht, sich verweigert oder das „trotzige Kind“ spielt. Im Kurzabriss ging die Handlung des Stückes so: Die CSU wollte ein Zeichen setzen und eine Art Notbremse ziehen, um die galoppierende Verschuldung der Stadt zu bremsen. Die Forderung dazu war eine Kürzung der „freiwilligen Leistungen“ der Stadt um pauschal 30 Prozent. Sonst würde man dem Haushalt nicht zustimmen.

Dieses Ansinnen war ganz offenbar ein gefundenes Fressen für die Freien Wähler, die durchaus Sympathie fürs Sparen bekundeten – aber eigentlich nur bekundeten. Dabei hatten sie die geplanten Feuerwehrhäuser im Auge. Sie setzten der SPD/JGB-Fraktion die Pistole auf die Brust, dass sie ebenfalls den Haushalt ablehnen würden, sollte deren Bau nicht verschoben werden. Die Stadtratskollegen von CSU/ TBL wollten die Feuerwehrhäuser hingegen unbedingt gebaut wissen, da sie diese als „Pflichtaufgabe“ betrachten. Da ihnen aber der Rest des Stadtrats weder in Sachen Verwaltungshaushalt noch Innenstadtsanierung (zu der ein paar Minuten vorher gegen die CSU-Stimmen die Aufträge vergeben worden waren) entgegenkam, lehnten sie den Haushalt also komplett ab.

Die SPD musste nun, um den Haushalt durchzubringen, mit dem Vorschlag der FW mitziehen. Somit läge nun der Schwarze Peter, dass die Feuerwehrhäuser nicht oder später gebaut werden, irgendwie bei der CSU, da diese sich dem vorgelegten Haushalt komplett verweigert hat.

Das ist aber wohlgemerkt nur eine Möglichkeit der Interpretation. Es könnte aber auch sein, dass die vermeintliche Daumenschraube der CSU/TBL-Fraktion für FW und SPD/JGB eine willkommene Steilvorlage abgab, um die Kollegen von der anderen Seite ob ihrer Verweigerungshaltung auf diese Weise prächtig vorzuführen. Denn momentan ist die Abstimmungslage die, dass die CSU den Haushalt samt Feuerwehrhäusern abgelehnt hat, wogegen SPD und FW den Bau nur formal verschoben haben.

Zur Erklärung: Im Jahr 2017 sollten die Feuerwehrhäuser in Gundelsheim und Treuchtlingen eh noch nicht gebaut werden. Das Ganze ist also erst mal folgenlos. Das sieht ein bisschen nach „Symbolpolitik“ aus. Irgendwer hat den Schwarzen „Feuerwehr-Peter“ jetzt. Man weiß nur nicht, wer. Die aktuelle Problematik in der Treuchtlinger Stadtpolitik: Man weiß nicht, ob die Fraktionen überhaupt miteinander diskutieren.

Wenn man die drei „Blöcke“ charakterisieren müsste, dann vielleicht nach folgenden Formeln: SPD/JGB schöpfen aus dem Vollen, Freie Wähler geben sich wortreich aber folgenlos, CSU/TBL sind im Blockademodus. Kompromissfähigkeit ist offenkundig Fehlanzeige. Zumindest macht das den Eindruck.

Vorstellung beendet, Vorhang zu und bitte keine Zugabe.

Politik im Kämmerlein

In einer Aussage mag der Landesbund für Vogelschutz recht haben: Die gesetzlichen Vorgaben werden vom Gesetzgeber festgelegt. Der Gesetzgeber – das waren im Fall des Konfliktes zwischen Rotmilanen und Windrädern die deutschen Umweltminister, die in Kloster Banz das sogenannte „Neue Helgoländer Papier“ in Sachen Windkraft in die neue Gesetzgebung integriert haben. In diesem Papier sind unter anderem Abstandsflächen zum Vogelschutz enthalten.

Und genau hier wird es problematisch. Das „Neue Helgoländer Papier“ wurde von der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten erarbeitet, die naturgemäß extrem nah mit den Landesbünden für Vogelschutz verbandelt ist. Es ist also nicht so, dass der LBV hier ganz weit weg und ohne Einfluss außen vor stünde. Hier wurde „Lobbyarbeit“ betrieben.

Nun mag Lobbyismus legitim sein. In unserem Land beschleicht einen aber zunehmend das Gefühl, dass Politik fast nur noch aus Lobbyarbeit bzw. dem Ausfluss daraus besteht. Vor allem werden die Entscheidungsprozesse von der Politik nicht transparent dargestellt. Welcher „Otto-Normalverbraucher“ hatte schon einmal etwas von diesem „Neuen Helgoländer Papier“ gehört oder auch von den „Dichtezentren“, die nun das Maß aller Dinge in Sachen Windkraft-Konflikt sind?

Die Entscheidungen fallen unerklärt im stillen Kämmerlein von Kloster Banz oder anderen eingeflüsterten Politzirkeln. Bürgernähe sieht vollkommen anders aus. Subsidiarität – also die Entscheidung auf der untersten möglichen Ebene zu fällen – sieht ebenfalls vollkommen anders aus. Es könnte also durchaus passieren, dass die Bemühungen in Auernheim nach vielen Jahren zäher Arbeit ins Leere laufen.

Unerklärt bliebe dabei, wie die genannte Fläche im Landesentwicklungsprogramm zur Vorrangfläche für Windkraft werden konnte. Das wäre ein Widerspruch – möglicherweise mit juristischen Folgen. Möglicherweise kauen genau daran derzeit hinter den Kulissen die Behördenvertreter.

„Lobbykratie“ lässt grüßen

Dass dies noch ein normaler „Verwaltungsvorgang“ ist, das glaubt mittlerweile niemand mehr. Seit mehr als fünf Jahren versuchen Bürger des Dorfes Auernheim, einen Bürgerwindpark zu errichten. Die Voraussetzungen waren eigentlich bestens.

Das Gelände rund um das „höchste Dorf Mittelfrankens“ scheint ideal geeignet, weil dort der Wind gut bläst. Es gibt kaum Widerstand aus der Bevölkerung – im Gegenteil. Es herrscht viel Idealismus und vor allem das Bewusstsein, dass man mit der dezentralen Energieerzeugung im Sinne der Energiewende vor Ort auch Wert schöpfen und so das strukturschwache Gebiet aufwerten kann. Zu Deutsch: Das mit dem Windstrom verdiente Geld bleibt vor Ort und landet nicht bei Großkonzernen, wie sonst üblich. Auf dem langen Weg zum Projekt blieben viele Stunden des ehrenamtlichen Engagements liegen, viel Geld und noch mehr Nerven.

Am Ende war der Windpark mit dem Naturpark vereinbar, im Regionalplan festgesetzt, und alles wartete nur noch auf die zweite artenschutzrechtliche Prüfung. Dass diese zweite Prüfung von der Unteren Naturschutzbehörde verlangt wurde, war schon etwas „merkwürdig“. Und nun wird plötzlich auch noch der Begriff „Dichtezentrum“ aus dem Hut gezaubert. Während andernorts ein Windrad nach dem anderen entsteht, stehen in Sachen Hahnenkamm die maßgeblichen Verwaltungen ganz offensichtlich auf der Bremse. Fast könnte man auf unanständige Gedanken kommen. Vor allem auch, wenn man den Gerüchten Glauben schenken mag, dass ein Großunternehmen vor einigen Jahren – gegen eine Beteiligung – angeboten habe, die Störfaktoren aus dem Weg zu räumen. Wie weit reicht Lobbyismus bei derartigen Verfahren?

Die Antwort kann nur heißen: sehr weit. Lobbyismus ist in diesem Sinne nämlich auch die zweifelhafte „Macht“ von Umweltverbänden, wie hier des LBV. Wenn dieser mit Klage droht, zucken offenbar die Verwaltungen – selbst, wenn es vordergründig um das Vertreten einer politischen Haltung und persönliche Interessen geht. Neutrale Gutachten spielen dann plötzlich keine Rolle mehr.

In Auernheim sind „normale“ Bürger die Grundbesitzer und Projektträger. Die kann man offenbar leicht gängeln. Waren es anfangs noch eher verständliche regionale Interessen aus dem Donau-Ries und die Naturparkverordnung, die das Projekt verzögerten, war es später „10 H“ und am Ende eine rigide Auslegung von Naturschutz-Gesetzen. Warum die Rotmilane nun ausgerechnet gegen die Windräder bei Auernheim fliegen sollen und nicht gegen die bei Degersheim, das sind Einschätzungen und Auslegungen von Fachleuten des Landesbundes für Vogelschutz.

Genau dieser Verein steht nun mächtig im Blickpunkt. Auf seiner Webseite hat der Verein ein Positionspapier zur Windkraft veröffentlicht. Unter der Überschrift „LBV unterstützt Ausbau der Windenergie“ machen die Vogelschützer deutlich, wo Windkraft ihrer Meinung nach geht – nämlich fast nirgends. Es wird aber darauf verwiesen, dass dazu Vorranggebiete ausgewiesen werden müssten (wie in Auernheim geschehen), dass es neutrale artenschutzrechtliche Prüfungen geben müsse (wie in Auernheim geschehen) und eine breite Unterstützung in der Bevölkerung brauche (wie in Auernheim vorhanden).

Angesichts dieser im Fall Auernheim offensichtlichen Widersprüchlichkeit der eigenen Aussagen kann die Seriösität des LBV in dieser Sache eigentlich nur angezweifelt werden. Sollten die mit offenbar unendlicher Geduld ausgestatteten Auernheimer „ihr Projekt“ aufgeben, kann man Wetten abschließen, wie lange es dauert, bis ein kommerzieller Anbieter das erste Windrad in dem dortigen Umfeld aufstellen wird. Es sind genau solche Entscheidungsprozesse, die die Bürger an unserem Land zweifeln und verzweifeln lassen. Politische Entscheidungen sind kaum noch unabhängig möglich – geschweige denn auf lokaler Ebene. Den Begriff „Subsidiarität“ nimmt schon lange niemand mehr in den Mund. Wenn dann selbst die mittlerweile bis zum Exzess praktizierte Gutachteritis von einer einzigen Interessenvertretung mit einem Streich vom Tisch gewischt werden kann – wer oder was regiert dann eigentlich noch unser Land?

Leitungen verstaatlichen!

Schon wieder ein Förderverfahren, und noch ein Förderverfahren. Langsam entsteht der Eindruck, dass der Politik die Übersicht entglitten ist. Oder ist alles nur ein riesiges Wirtschaftsförderprojekt für die Firma mit dem magentafarbenen Logo?

Was passiert da gerade? Bis 1994 war die Telekommunikation eine staatliche Aufgabe. Die Post war eine Behörde und arbeitete nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Vielmehr hatte sie eine volkswirtschaftliche Aufgabe, nämlich die Versorgung des Landes mit Telefon. Die Regierung Kohl kam damals auf die Idee, den Bundeshaushalt von dieser teuren Aufgabe zu entlasten. Deshalb wurde privatisiert. So entstand 1995 die Telekom, zunächst als Monopolist. 1998 fiel das Monopol. Trotzdem blieb die Telekom bis heute marktbeherrschend. Das ist grob umrissen der aktuelle Rahmen.

Nun registrierte man in den vergangenen Jahren in den Polit-Etagen, dass die eigenwirtschaftlichen Interessen von Firmen und speziell der Telekom nicht immer mit dem volkswirtschaftlichen Bedarf zusammenpassen. Im Klartext: Die Telekom und ihre wenigen Mitbewerber bauen nur dort schnelle Leitungen, wo sich das für sie rentiert. Deshalb wurden Förderprogrammeaufgelegt, um die „Wirtschaftlichkeitslücke“ zu schließen – für diese Unternehmen wohlgemerkt.

Der Schwarze Peter landete bei den Kommunen, die sich nun mit dem aufwändigen Förderwust, zusätzlichen Kosten und einer intransparenten Telekomherumschlagen dürfen. So kommt es vor, dass ganze Industriegebiete nicht mit Breitband versorgt werden, weil eine Kommune das nicht für nötig hält. Und die Telekomreibt sich die Hände, weil sie den Unternehmen „eigenwirtschaftlich“ überteuerte Standleitungen verkaufen kann. Schließlich ist heute jeder Unternehmer auf schnelle Datenleitungen angewiesen.

Ein volkswirtschaftlicher Wahnsinn– während in den Großstadtghettos Tag und Nacht das Breitband-Fernsehen brummt. Dort rentiert es sich, angesichts Tausenden von zahlenden Kunden. Brot und Spiele war schon zu Zeiten der Römer ein probates Mittel…Nun also wieder ein Förderverfahren, diesmal auf Bundesebene.

Nutznießer sind erneut zuerst privatwirtschaftliche Unternehmen, nämlich Planungsbüros, die „Masterpläne“ für Tausende von Kommunen erstellen. Wieder landet die Verantwortung auf der kommunalen Ebene, wo sie eigentlich nicht hingehört. Es drängt sich die entscheidende Frage auf: Wäre es nicht langsam eine Überlegung wert, die Infrastruktur, also die Breitbandleitungen, wieder der staatlichen Obhut zu übergeben? Auf diesen vom Staat dann nachvolkswirtschaftlichen Maßstäben geplanten Leitungen könnten sich beliebig viele Telefonanbieter tummeln. Es gäbe keine Abschottungstendenzen a la Telekom und keine Abzocke mehr. Und es wäre endlich für echten Wettbewerb gesorgt.

Bürokratie ohne Gerechtigkeit?

In unserem Land neigen wir zu Perfektionismus. Alles muss gerecht sein – bis ins letzte Detail. Die Ausbausatzungen sind auf den ersten Blick ein Ausfluss genau dieses „gerechten Denkens“. Allerdings gerät der Politik dabei manchmal bewusst oder unbewusst das große Ganze aus dem Blick.

Ausbaubeiträge sind nämlich insgesamt ungerecht. Und der große kollektive Aufschrei der Bürger bleibt nur deshalb aus, weil stets nur einige wenige gleichzeitig davon betroffen sind. Früher war das alles einfacher und schon dadurch gerechter. Da gab es nachvollziehbare Erschließungsbeiträge, wenn jemand ein Häuschen baute. Das war’s. In den meisten Bereichen wird das auch heute noch transparent und einfach praktiziert, etwa beim Wasser-, Strom- und Kanalanschluss. Der Grundstücksbesitzer ist – sofern die Fläche einmal erschlossen wurde – in der Regel nur für Kosten auf seinem Grund zuständig. Alles außerhalb hat der Versorger zu tragen. Die Kosten werden dann auf die allgemeinen Gebühren umgelegt. Warum nicht auch beim Straßenbau?

Wenn durch eine Anliegerstraße laufend tonnenschwere Lastwagen oder landwirtschaftliche Geräte fahren, warum ist dann der Anlieger zahlungspflichtig, wenn die Straße irgendwann kaputt ist? Wo ist die Grenze zu ziehen? Welche Unterhaltspflicht hat die Kommune? Genau vor diesem Hintergrund wären die sogenannten „wiederkehrenden Beiträge“ sinnvoll, da es außer der Grundsteuer sonst keinen Kostenersatz für die Kommune gibt. Aber selbst wiederkehrenden Beiträge sind eigentlich nicht gerecht. Denn Flächenkommunen wie Treuchtlingen geraten dabei finanziell immer ins Hintertreffen, da sie ein viel größeres Straßennetz zu pflegen haben als „kompakte“ Gemeinden. Über die Ausbausatzungen sind die Bürger in Flächenkommunen somit klar benachteiligt.

Zwar erhalten finanzschwache Städte und Gemeinden über die staatlichen Schlüsselzuweisungen einen gewissen Ausgleich. Der reicht aber nicht. Der Freistaat Bayern – ja, der mit der „schwarzen Null“ – muss aufpassen, dass er mit seinen immer wieder neuen bürokratischen Auflagenmonstern nicht irgendwann die kommunale Selbstverwaltung insgesamt zerstört.

Seit vielen Jahren ist vor allem im ländlichen Bereich zu beobachten, dass Städte und Dörfer ohne verstärktes ehrenamtliches Engagement „austrocknen“. Viele Menschen spüren das, ohne die Hintergründe zu erkennen. Immer mehr wird „von oben nach unten“ verlagert. Auflagen kommen „von oben“, und zwar in Massen; „unten“ müssen sie abgearbeitet werden, in der Regel ohne kompletten Kostenersatz. Dass in Windischhausen Anlieger auch noch bezahlen müssen, wenn die Bürger die Straße ehrenamtlich selbst gepflastert haben, ist geradezu aberwitzig – aber eben Ausfluss dieses bürokratischen Gerechtigkeitswahns. Bürokratie kennt keinen Bürgersinn…

Aufhübschende Beliebigkeit

Nein, reden wir einmal nicht über Geld. Reden wir über kulturelles Selbstverständnis und Selbstbewusstsein, über regionale Identität und vielleicht auch über Geschmack. Wo leben wir eigentlich, welche Geschichte hat Treuchtlingen, und wo ist das erkennbar? Dieser Einwurf wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Innenstadtentwicklung, sondern hinterfragt die Art und Weise, wie mit dem Stadtzentrum umgegangen wird, sowie die Schwerpunktlegung.

Also, Treuchtlingen ist ein kleines Städtchen am Land. Es liegt sehr schön mitten im Naturpark Altmühltal. Prägend ist die Juralandschaft. Früher gab es in dem Ort viel Landwirtschaft und Handwerk. Die prägende Bauform war einst das Jurahaus.

Und was passiert derzeit im Rahmen der Innenstadtsanierung? Über Geschmack kann man bekanntlich streiten. Aber die lokale Identität wird hier bislang nirgends auch nur ansatzweise vermittelt. Der begehbare Brunnen beispielsweise könnte genauso gut auch im Ruhrpott in Castrop-Rauxel stehen. Der Raiba-Neubau – naja… Dazu chinesische Bäume und ein beliebiges Pflaster. Soll das der große Wurf sein?

Auf der anderen Seite wurde ein paar Meter weiter mit der „Sonne“  eines der letzten Jura-Gasthäuser abgerissen. Nun gammelt dort ein prächtiger Schotterplatz vor sich hin. Das sagt viel über Geschichtsbewusstsein, Traditionsverständnis und Fingerspitzengefühl.

Der Wallmüllerplatz ist bislang der belebteste in der Stadt. Das rührt vor allem daher, dass man dort gut sitzen kann und es Außengastronomie gibt. Sehen und gesehen werden. Das muss zweifellos erhalten werden und könnte auch ein Stück weit attraktiver gestaltet sein. Der bestehende Brunnen aus den 70er Jahren ist allerdings tatsächlich potthässlich. Auch er zeugte schon von verlorener lokaler Identität. Braucht man dort wirklich einen neuen Brunnen, wieder so ein Zeichen von „aufhübschender Beliebigkeit“? Wo ist hier der lokale Bezug?

Die baulichen Höhepunkte der Stadt, nämlich der Bereich zwischen Schloss, Lambertuskirche, Rathausplatz und Markgrafenkirche – das ist das eigentliche, ursprünglich gewachsene Zentrum der Stadt. Dort war der Wochenmarkt, dort wurde gelebt, gehandelt und gefeiert. Genau diesen Bereich, der eigentlich weitgehend ansehnlich und kulturbehaftet ist, lässt man beim bisherigen Konzept einfach links liegen.

In Treuchtlingen gibt es gute Ansätze, Bodenständiges und Geschichte zu bewahren. Beispiele hierfür sind die Aktivitäten auf der Burg, das Museum oder die Reihe Kulturschmankerl im Forsthaus, bei der Volkstümliches mit Modernem gekonnt gemischt wird. In Sachen Architektur und Stadtgestaltung vermisst man diesen Geist bislang leider komplett.

Nur die Fakten zählen

Das Thema Umgehung ist in Treuchtlingen auch elf Jahre nach dem Bürgerentscheid immer noch „ein Tanz auf dem Vulkan“. Dass Stadträte, die damals noch nicht im Gremium saßen, irgendwann auf die Idee kommen könnten, das Thema komplett zu hinterfragen, war zu erwarten. Dies ist nun erstmals geschehen. Damit könnte – positiv gedacht – auch eine Art „Vergangenheitsbewältigung“ beginnen, denn die Wunden aus dem damaligen Bürgerentscheid sind offenbar immer noch nicht verheilt und haben die Stadt viel gemeinsamen Geist und Zukunftschancen gekostet.

Man muss aufpassen, dass nicht wieder die emotionale Schiene bemüht wird, so wie dies einst vor dem Bürgerentscheid geschah, und dass eine neue Diskussion sachlich über die Bühne geht. Das Wort „Lügen“ sollte man aus heutiger Sicht lieber stecken lassen und vielmehr auf die Fakten verweisen.

Fakt ist, dass die Nordumfahrung, die 2007 im Stadtrat beschlossen wurde, nicht Inhalt des Bürgerentscheides von 2005 war. Seinerzeit hatten die Bürger nur die Wahl, sich für oder gegen die Nagelbergtrasse zu entscheiden. Es war schon damals zu kritisieren, dass nicht verschiedene Varianten zur Auswahl gestellt wurden. Fakt ist auch, dass der Staat – wie dessen Vertreter schon damals unmissverständlich erklärten – nur eine Umfahrung am Nagelbergsüdhang bauen würde, da diese in der Gesamtbetrachtung die wirkungsvollste wäre. Das hat die bereits vergangene Zeit und die Rückstufung im Staatsstraßen-Ausbauplan letztlich bewiesen. Die Einstufung hat nichts mit politischen Einflussnahmen zu tun, sondern basiert auf einem objektiven Bewertungsverfahren.

Fakt ist aber auch, dass die Nagelbergvariante nach wie vor einen sensiblen Naherholungsbereich berühren würde.

Gleichzeitig benötigt die Stadt zur Weiterentwicklung dringend eine Verkehrsentlastung und die Möglichkeit einer Innenstadtentwicklung. Der Bau einer Umfahrung – wo auch immer – wäre ein wichtiges psychologisches Signal nach außen. Aus Treuchtlinger Sicht ist das immer ein Abwägungsentscheid nach dem Motto „welche Kröte will ich schlucken“. Allerdings hat sich „die Lage“ seit dem Bürgerentscheid schon aus finanzieller Sicht dramatisch verschärft.

Unklar ist indes, wie die CSU/ TBL-Fraktion weiter vorgehen will. Um ein neues Bürgerbegehren anzustrengen, müssten zehn Prozent der wahlberechtigten Bürger Treuchtlingens sich per Unterschrift für solch einen Entscheid aussprechen. Für ein Ratsbegehren, also eine vom Stadtrat initiierte Befragung der Bürger, dürfte der Fraktion die Mehrheit fehlen.  

Wenn Bürokratie auf Realität trifft

Es mag ja sein, dass hinter der Änderung der Steuergesetzgebung immer wieder ein guter Wille steckt; aber dieser theoretisch gute Wille trifft leider immer wieder auf die Realität. Und die sieht oft anders aus – wie auch bei der Änderung des Paragraphen § 13a EStG. Entweder hat die zuständige finanzministeriale Abteilung keinen Praxisbezug oder sie will tatsächlich jeden kleinen Waldbesitzer zu einem Steuersünder machen. Das wäre dann allerdings kein „guter Wille“.

Dass Waldbesitzer beim Verkauf von Holz Steuern bezahlen müssen, sobald daraus Gewinn entsteht, dürfte klar sein und außer Frage stehen. Wie aber soll der Eigenverbrauch von Brennholz überhaupt bemessen und kontrolliert werden? Wie will der Staat prüfen, ob zwei, zehn oder 100 Ster Brennholz im eigenen Ofen verschürt werden? Und muss für den Ster Fichte dann weniger Steuern bezahlt werden als für Buchenbrennholz? Und ist das überhaupt auch nur ansatzweise gerechtfertigt?

Wenn dieses Ansinnen tatsächlich so stehen bleibt, dann müssten logischerweise künftig auch für Thymian Eigenverbrauchssteuern erhoben werden, wenn er am heimischen Fensterbrett angebaut wird und mit ihm die Spaghettis am Mittagstisch gewürzt werden. Dasselbe müsste für die Kartoffeln des Kleingärtners gelten und die Rose vor dem Haus, die in der heimischen Blumenvase landet.

Oder ist geplant, die Steuergesetzgebung völlig umzubauen und künftig einfach alles zu besteuern? Den Rasenmäher? Die Schuhsohlen? Die Luft zum Atmen? Das hätte für die Politik den praktischen Vorteil, die „normalen“ Steuern nicht erhöhen zu müssen und die „schwarze Null“ durch die Hintertür finanzieren zu können.

Der komplette Staat wird umgebaut. Und keiner merkt es so richtig. So funktioniert Salamitaktik. Öffentliche Güter werden privatisiert, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird Steuern unterworfen. Wohin soll dieser Regulierungs- und Steuerungswahn eigentlich führen?